Kunstwerke unterliegen Veränderungen: Erosion, Abnutzung, Patina oder sogar Beschädigungen – zahlreiche Faktoren können dazu führen, dass ein Kunstwerk nach einer gewissen Zeit nicht mehr wie neu erscheint.
Daher stellt sich die Frage: Ist es dem Eigentümer gestattet, Kunstwerke selbst zu restaurieren oder zu reparieren?
Oder muss der Künstler oder die Künstlerin Restaurierungsmaßnahmen einfach akzeptieren, oder steht ihm ein Vetorecht zu?
Das Urheberrecht besagt, dass ein Künstler gemäß § 14 UrhG das Recht hat, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigungen seines Werks zu untersagen. Dieses Recht gilt auch für die Erben. Voraussetzung für dieses Recht ist, dass die Veränderung geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Künstlers an der Integrität seines Werkes zu gefährden. Diese Regelung dient dem Schutz vor Verfälschungen im Hinblick auf das objektivierte Urheberinteresse. Sie zielt jedoch nicht darauf ab, ein Kunstwerk zu bewahren, an dem – auch aus finanziellen Gründen – der Eigentümer möglicherweise ein größeres Interesse hat als der Künstler selbst.
Natürlicher Alterungsprozess? Das Oberlandesgericht Düsseldorf (AZ 20 U 134/17) entschied 2019 in einem Rechtsstreit über die Zulässigkeit einer Restaurierung ohne Zustimmung des Künstlers oder seiner Vertreter. Die Beklagten hatten an einer Plastik Restaurierungsmaßnahmen zur Erhaltung durchgeführt und dabei Plexiglashauben sowie Hohl- und Flachspiegel erneuert. Die Klägerin – die Rechtsnachfolgerin des Künstlers – wollte dies ohne ihre Zustimmung nicht dulden und forderte Auskunft sowie Unterlassung.
In der Vorinstanz stellte das Landgericht fest, dass kein allgemeiner Anspruch auf Unterlassung der Austauschhandlungen ohne Einwilligung der Klägerin erkennbar sei. Es könne bei den Werken des Künstlers nicht davon ausgegangen werden, dass ein natürlicher Verfallsprozess „Teil des künstlerischen Plans“ sei. Daher sei eine Restaurierungsmaßnahme zur Erhaltung oder Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Kunstwerks nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es wurde festgestellt, dass eine Beeinträchtigung im Sinne von § 14 UrhG nicht gegeben sei.
Ein Anspruch der Klägerin auf Mitbestimmung bei Entscheidungen über eine Restaurierung sei somit nicht erkennbar und auch nicht aus den gesetzlichen Bestimmungen abzuleiten.
Reparatur oder Entstellung? Mit ihrer Berufung verwies die Klägerin auf die Rolle des Kunstwerks als zeitgeschichtliches Dokument. Der Austausch von Einzelteilen verfälsche das originale Kunstwerk und mache es zu einem Nachbau – und wenn ein Austausch als solcher erkennbar sei, handele es sich um eine Entstellung des Werkes. Man müsse vom mutmaßlichen Willen des Künstlers ausgehen, dass Teile „originalgetreu“ ersetzt werden. Die Beklagten könnten zudem nicht selbst beurteilen, ob eine originalgetreue Rekonstruktion vorgenommen werde oder nicht – daher sei ein Einwilligungsvorbehalt unerlässlich. Im beschriebenen Fall war die Klägerin bereits aufgrund eines zu allgemein gefassten Klageantrags unterlegen. Dennoch warf das Gericht in diesem Zusammenhang interessante Fragen auf.
Sind neue und nachgebaute Teile als eine Entstellung im Sinne von § 14 UrhG zu betrachten? Zunächst sollte geklärt werden, ob der Verfallsprozess ein gewollter Aspekt des Kunstwerks ist – denn manchmal kann es dem Urheber gerade darauf ankommen. Soll das Metall oxidieren? Soll Moos über das Werk wachsen und die Farbe verblassen? Wenn ein solcher geplanter „Verfall“ durch eine Restaurierung aufgehalten wird, wird der Wesensgehalt des Werkes verzerrt und verfälscht. In solchen Fällen liegt somit eine Entstellung im Sinne von § 14 UrhG vor.
Wie weit darf die Restaurierung gehen? Ohne einen gewollten Verfall bleibt die Frage, wie weit eine Restaurierung gehen darf, ohne eine unzulässige Entstellung nach sich zu ziehen. Eine Entstellung wird immer dann gegeben sein, wenn ein Werk verfälscht oder verstümmelt wird und der Wesensgehalt verändert wird. Dies muss im Einzelfall geprüft werden, wenn der Künstler keine Vorgaben für Restaurierungen und Reparaturen gemacht hat.
Im genannten Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf hatte der Künstler sogar Richtlinien hinterlassen, die festlegten, dass die Sachsubstanz so gut wie möglich erhalten bleiben solle. Bei klaren Anweisungen durch den Künstler ist die Situation an sich einfach. Doch selbst dann kann ein Künstler oder dessen Rechtsnachfolger nicht verlangen, dass alle Restaurierungen oder Reparaturen nur mit vorheriger Zustimmung durchgeführt werden dürfen. Denn dies ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es liegt zwar in der Natur jeder Restaurierung, dass in ein Objekt eingegriffen wird, um Entwicklungen rückgängig zu machen; dennoch kann man in der Regel davon ausgehen, dass eine Restaurierung auch im Sinne des Urhebers erfolgt, der sein Werk in dem Zustand erhalten wissen möchte, den es bei seiner Fertigstellung hatte. Letztlich wird es in den meisten Fällen auch im Interesse des Eigentümers liegen, wenn ein Kunstwerk so originalgetreu und schonend wie möglich wiederhergestellt wird. Ob tendenziell die perfekte Restaurierung oder eher die Konservierung – also die Sicherung des Objekts unter Berücksichtigung alterungsbedingter Gebrauchsspuren – das Ziel einer erhaltenden Maßnahme ist, werden letztendlich auch der jeweilige Markt und Zeitgeist entscheiden.
Quelle: Kunst-Restaurierung: Urheberrecht vs. Eigentum? | WELTKUNST